Samstag, 30. Juli 2016

Unterwegs auf Russlands M9 und die lang ersehnte Ankunft auf dem roten Platz!

Ort: Roter Platz, Moskau, Russland, 109012
Etappe 6/6: Великие Луки/Velikiye Luki - Motel "KM 372" - Нелидово/Nelidovo - Ржев/Rzhev - Волоколамск/Volokolamsk - Красногорск/Krasnogorsk - Москва/Moskau

Tag 25/35 - von Великие Луки/Velikiye Luki zum Motel "KM 372" (95 km)

Die Motivation für die bevorstehenden sechs Tage war bereits am ersten ziemlich weit unten, denn nun hieß es 450 km ein und die selbe Straße fahren - die M9 in Russland. Da ich an diesem Tag bereits in einem Motel als Gast angekündigt war, konnte ich diesen entspannt angehen. Morgens jedoch, war das Wetter weniger optimal. Es war sehr nebelig und die Sicht betrug teilweise keine 30 m, aber dennoch schwitzte ich bei dieser stickigen Luft, wie in der prallen Sonne. Die ersten zwei Stunden hatte ich ein sehr mulmiges Gefühl, ob ich denn auch von allen Verkehrsteilnehmern gesehen werde.

Doch es ging alles gut, da ich anscheinend auffällig genug gekleidet war und mich die Autofahrer dadurch frühzeitig erkannten. Als der Nebel verschwand, gab es den gesamten Tag nur noch Sonne pur. Viel mehr gibt es zu diesem Radfahrtag auch nicht zu sagen. Im Motel angekommen, aß ich im dortigen Café Forelle mit Bratkartoffeln (oder so etwas in der Art) zum Abendbrot. Ohne Internet im Motel wusste ich kaum etwas mit meiner Zeit am Abend anzufangen, da ringsherum einfach nichts los war - irgendwo im Nirgendwo an der M9!

Durch solche Pfützen hatte ich meinen Hobel zwei Tage zuvor gequält. 

Ein Abschiedsfoto von Velikiye Luki. Optimal mit der Bierflasche in Szene gesetzt. :-D

Es war soweit, das Fahrrad wollte mich testen. Die Schraube vom hinteren Schutzblech löste sich und ohne das komplette Rad zu demontieren, war es nicht möglich, diese wieder fest zu ziehen. Jedoch hatte ich mein Survivalkit dabei und habe es bis heute notdürftig mit ein wenig Draht befestigt.

Damit ihr euch auch mal vorstellen könnt, was so die Highlights während des Radelns auf der M9 waren.

Kundige unter euch werden feststellen, dass auf diesem Kartenausschnitt Deutschland zu sehen ist. Und zu alledem sogar unsere Heimatstadt Cottbus! :-)


Tag 26/35 - von Motel "KM 372" nach Нелидово/Nelidovo (56,2 km)

Dies war wohl einer meiner kürzesten Tage. Ich hatte die Wahl, entweder 50 km oder 150 km zu fahren. Da ich noch einen Tag Puffer hatte, entschied ich mich diesen zu nutzen und den Tag entspannt mit 50 km wegzuradeln. Am Motel an der M9 angekommen, wollten die Betreiber ganze 2.500 Rubel (34€) für eine Nacht. Da mir dies etwas viel erschien und ich genügend Zeit hatte, machte ich einen kleinen Abstecher in den Ort Нелидово/Nelidovo und fand ein sehr ansprechendes Hotelzimmer zum halben Preis. Geld gespart, die Stadt ein wenig erkundet und nicht wieder an der M9 gelangweilt.

Truppenbewegungen in Russland. Etwa 30 Militärfahrzeuge fuhren hier an mir vorbei in Richtung Westen.


Tag 27/35 - von Нелидово/Nelidovo nach Ржев/Rzhev (108,6 km)

Die Strecke, zur im zweiten Weltkrieg stark umkämpften Stadt Rzhev, fuhr sich wunderbar bei bestem Wetter und somit konnte ich auf einer Distanz von über 108 km eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 22,6 km/h erreichen. So schnell war ich bisher noch nie! Daher konnte ich im dortigen Sport-Hotel bereits ziemlich früh am Nachmittag einchecken. Ich glaub, ich war auch so ziemlich der einzige Gast und somit hatte ich dort einen sehr entspannten Aufenthalt. Auf Grund des schlechten Wetters am Nachmittag blieb mir ein größerer Stadtrundgang verwehrt und ich schaute daher ein wenig russisches Fernsehen, wovon ich wie man sich vorstellen kann, nicht viel verstand.

Das Wappen von Rzhev und im Hintergrund die große Wolga.

Diese Busse finde ich einfach herrlich, genau so hab ich mir Russland vorgestellt!

Damit man mal sieht, wie unordentlich ich bin, wenn man mich alleine lässt.

Panzer und generell Militärfahrzeuge werden gern in Szene gesetzt. Hier ein russischer T-34, wenn ich mich nicht irre.


Tag 28/35 - von Ржев/Rzhev nach Волоколамск/Volokolamsk (116,1 km)

Auch an diesem Tag hatte die M9 all das zu bieten, was ich bereits kannte. Gute Straßenverhältnisse, jedoch wie immer ein schmaler Seitenstreifen und eine sich immer wiederholende Landschaft. Die Sonne strahlte auch an diesem Tag, anders als ich es resultierend der Wettervorhersage erwartet hatte. So langsam war es dann aber auch genug mit dem Sonnenschein, denn bei 26 - 28 Grad den ganzen Tag in der prallen Sonne Fahrrad zu fahren macht nicht den allergrößten Spaß, da es irgendwann einfach anstrengend wird und man mehr schwitzt als man trinken kann. Nach ziemlich genau 100 km kam ich dann an meinem geplanten Tagesziel an. Ich wollte es mir in einem schicken Motel an der M9 gemütlich machen, aber daraus wurde nichts. Für 2.200 Rubel hätte ich ein Zimmer bekommen, jedoch ohne Dusche! Daraufhin wurde mir ein Komfortzimmer angeboten, bei welchem ich dann auch für schlappe 3.500 Rubel duschen kann. Ich lehnte dankend ab und begab mich wieder auf den Sattel. Ich fuhr etwa 15 km weiter in den nächsten Ort nach Волоколамск/Volokolamsk. Ich wusste im Voraus, dass es hier mit einer geeigneten Unterkunft ebenfalls schwer werden könnte. Nach einigen gescheiterten Versuchen half mir ein älterer Herr und empfahl mir das Hotel Европа/Europa, in welchem ich letztendlich für 800 Rubel in einem Mehrbettzimmer untergekommen bin. Glücklicherweise war es in dieser Nacht ein Einzelzimmer, da keine weitere Person ein Mehrbettzimmer buchte. Die Kommunikation mit den Hotelangestellten war jedesmal ein Highlight, da ich kein Russisch verstand und sie meist kein Englisch. Mein Smartphone mit der Google-Translation-App half jedoch, die grundsätzlichen Fragen zu klären.

Ab heute bin ich im Moskauer Oblast unterwegs und der Seitenstreifen ist nun statt 30 cm, gut 1 m bis 1,5 m breit.


Tag 29/35 - von Волоколамск/Volokolamsk nach Красногорск/Krasnogorsk (109,5 km)

Nur noch wenige Kilometer bis nach Moskau! Das letzte Stückchen schaffst du doch mit links - dachte ich zumindest. Ich nutzte wieder die M9, welche inzwischen eher einer Autobahn, als einer Landstraße ähnelte. Nach etwa 60 km entschied ich mich von der nun dreispurigen, stark befahrenen und beidseitig beplankten Fahrbahn Abschied zu nehmen. Es wurde einfach zu gefährlich und somit nahm ich einen 10 km Umweg über die Stadt Istra in Kauf. Nach meiner Mittagspause in Istra hatte ich noch 34 km vor mir. Diese zogen sich so sehr, dass ich mindestens vier Mal pausieren musste. Der Stadtverkehr in den Vororten von Moskau und dazu die hohen Temperaturen machten aus diesem Nachmittag ein kleines Horrorszenario für mich, da ich einfach keine Lust mehr hatte. Als meine Navigation mir mitteilte ich sei am Hostel angekommen, stand ich vor einem alten heruntergekommenen Plattenbau. Ich suchte eine halbe Stunde lang vergebens den richtigen Eingang bis ich bemerkte, dass Google-Maps die Hausnummer falsch zugeordnet hatte. Ich fuhr etwa 500 m weiter und siehe da, das Crocus Hostel wartete bereits auf mich! Vor zwei Monaten neu eröffnet, zu zweit in einem 4-Bettzimmer und ein schönes Ambiente, was will man mehr?! 99,1 % meiner Gesamtstrecke waren an diesem Abend absolviert und somit standen für den nächsten Tag lediglich etwa 20 km durch die Moskauer Innenstadt auf dem Plan.

Ein deutscher Panzer vom Typ Tiger steht hier ziemlich zerstört neben anderem russischen sowie amerikanischen Militärgerät.

An dieser Stelle entschied ich mich, der M9 den Rücken zu kehren. Ich denke, es war die richtige Entscheidung.

Das Stadtbild von Krasnogorsk - viele alte Plattenbauten, aber saniert und so gut es geht herausgeputzt. 

Der Ausblick von meinem Hostel direkt auf den Fluss und im Hintergrund die "Crocus"-Stadthalle.

Genau so muss ein Hotelzimmer aussehen. Hell, sauber und etwas Privatsphäre mittels Vorhang. :-)

Ich hatte bereits davon gehört, doch nun das erste Mal auch in der Realität gesehen! Dieses russische Pärchen hält sich, anstatt eines Hundes, einen Fuchs. Sehr glücklich sah dieser jedoch nicht aus. Er suchte ständig und oftmals vergebens den Schatten.


Tag 30/35 - von Красногорск/Krasnogorsk nach Красная площадь в Москве/Roter Platz  in Moskau (25 km)

Nach einem sehr leckeren Frühstück (wie immer selbstgemachtes Müsli) und einem ruhigen Vormittag, machte ich mich gegen halb 12 auf den Weg zum Zentrum Moskaus. Aus den geplanten 20 km wurden 25, da Moskau nun wirklich keine fahrradfreundliche Stadt ist. Ich muss schon eher sagen, dass die Straßen Moskaus alles dafür tun, vom Rad ab zu steigen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Denn bei 12-spurigen Highways, kniehohen Bordsteinkanten sowie nicht-existierenden Radwegen, fährt es sich gar nicht so schön. Zu dem ist Moskau, wie auch andere Großstädte. eine riesen große Baustelle (ich tippe auf Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft 2018). Nichtsdestotrotz habe ich nach einigen Umwegen zum roten Platz gefunden. Zwar hatte meine GPS-Aufzeichnung mit Runtastic am letzen Tag einen Aussetzer, welcher die Aufzeichnung um 55 km verfälschte, jedoch war ich sehr erleichtert und glücklich endlich mein Ziel (auch unbeschadet) erreicht zu haben! 

Es ist vollbracht! Ich hätte es selbst manchmal nicht geglaubt, ...

...  aber ich bin endlich angekommen!

Meine erste Amtshandlung bei der Ankunft war... Natürlich - mit dem Fahrrad einmal über den roten Platz zu fahren! Früher wurde man dafür schon mal verknastet, heute wird es geduldet auch wenn ich erst danach die Verbotsschilder an den Ecken und Eingängen gesehen habe. Nach 23 Radfahrtagen und über 2.300 km war es ein sehr gutes Gefühl, endlich angekommen zu sein. Doch das größte Geschenk an diesem Tag traf halb sechs abends nach Moskauer Zeit ein. Ich sah meine allzu sehr vermisste Marie nach über fünf Wochen wieder - so lang waren wir noch nie örtlich voneinander getrennt. Gemeinsam mit Janine holte sie mich vom Roten Platz ab. Die beiden Mädels haben sich zum Ende ihrer großen Reise die Heimkehr nach Deutschland noch etwas mit der transsibirischen Eisenbahn versüßt und sind von Hong Kong bis nach Moskau auf Schienen gefahren. Da Marie und Janine nur ein Transitvisum für Russland erhielten, verbrachten wir lediglich drei von den mir verbleibenden sechs Tagen gemeinsam in Moskau.

Endlich ist sie wieder da! 

Ein kleines High Five, nach der Spritztour mit dem Rad, konnte ich mir von den beiden Mädels abholen! :)

Insgesamt zu meiner Reise ins Ferne und für mich vorher Ungewisse - nach Osteuropa, muss ich sagen, dass ich sehr glücklich darüber bin, solch eine Tour mal auf eine etwas andere Art und Weise durchgeführt zu haben. Das, was ich in den letzten fünf Wochen gesehen und erlebt habe, ist nicht das, was ich erwartet hatte. Ich denke, dass viele Menschen bei uns in der Heimat (einschließlich mir - bis ich es selbst erlebt hatte) oftmals ein falsches Bild von Osteuropa haben. Fast alle Vorurteile, welche mir vor dem Antritt meiner Radreise von anderen Personen begegneten, wurden NICHT bestätigt. Gewiss sind Polen, Litauen, Lettland und Russland nicht flächendeckend auf dem selben Standard, wie der Westen, jedoch war der Teil den ich gesehen habe meist gut entwickelt und gepflegt auch, wenn so manche Orte noch an die 80er und 90er erinnern. In allen Ländern traf ich stets auf äußerst nette und zuvorkommende Menschen. Ich wurde weder beklaut noch belästigt. Ich fühlte mich zu keiner Zeit unsicher oder verängstigt - so viel dazu! 

Hier nochmal eine kurze Zusammenfassung meiner Radtour:

Ich fuhr, einschließlich Deutschland, in fünf Ländern mit dem Fahrrad, legte dabei eine Distanz von 2.335 km zurück, war 123 Stunden auf dem Sattel (5 Tage und 3 Stunden) und bewältigte 22.000 Höhenmeter. Körperlich waren die ersten 10 bis 12 Tage wohl die anstrengendsten - geistig jedoch die letzten 7, während ich auf der russischen M9 fuhr. Denn, wenn man den ganzen Tag immer das Selbe sieht und stets und ständig Autos sowie LKWs an einem vorbeirasen, zerrt das doch mehr an einem, als man denkt.

Na los, ein Bild geht noch! :D

1 Kommentar:

  1. Einfach bemerkenswert! Nun da ich weiß, dass alle wieder gut in "Good ol' Germany" angekommen sind... Welcome Home und haltet die fantastische Zeit in Erinnerung!

    Hier noch eine Inspiration für die nächste Rad-Tour: https://www.youtube.com/watch?v=dRXs2XYe7Og&list=PLzM9n6FPHGDTsV02Xm-CXSypaMLQlWBAN

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